Humbatätärää

Verflucht
Der Siegelbann des Raab.

Es gibt Leute, denen gelingt einfach alles. An denen haftet Glück, wie bei anderen Zahnpastakleckser vorne auf dem Sweatshirt. Die klopfen sich das Jackett ab, ziehen sich die Bügelfalten gerade und steigen aus dem gerade abgestürzten Flugzeug aus, als sei die eintönige Runde in der Schiffsschaukel im Lunapark überraschend früh zu Ende gegangen. Solche Typen wie der, der vor Urzeiten seinen Kumpels Fladenbrot und Tomatensalat bringen wollte, mit dem Tablett ins Stolpern kam und auf diese Weise die Pizza erfand. Und mit den Pizzarechten freilich Millionen machte. Oder der Künstler, der aus Versehen eine Leinwand zu straff spannte. Der „Riss in der Leinwand“ kommt übrigens gerade von einer Welttour durch die Museen zurück.
Ja, es gibt sie nun mal. Zeitgenossen, die Ruhm, Ehre und Tantiemen für das einheimsen, wofür es andere garantiert nur auf das Titelblatt des Fachmagazins „Der Vollhorst“ schaffen würden. Andere Leute, die hart arbeiten, sich bis zur Erschöpfung eininspirieren und bis zum Letzten auskreativieren. Um dann wieder und wieder enttäuscht zu werden.
Und hör bloß auf mit dem Psychologensprech von wegen: Enttäuschung entsteht, wenn wir uns etwas vormachen, das dann der Realität nicht stand hält. So ist das nämlich nicht.
Ein Beispiel? Pass auf: Ralph Siegel.
Ja Ralph, die „prägende Figur“ der einstigen internationalen Musiklandschaft.
Was Ralph besiegelte, das stürmte. Direkt auf die Herzen von Millionen Musikliebhabern zu – wenngleich auch damals der eine oder andere Dissident unkte, dass Ralphis Herzattacken unter strikter Umgehung der Ohren der Zielobjekte geritten wurden. Ralph, der Midas der Popularmusik, der Ackermann einer ganz eigenen Notenbank.
Und heute? Was immer er anpackt, wird morsch, fad, brüchig.
Hat der Siegeldrücker sich verändert, oder gar die Realität?
Beileibe nicht.
Ein Fluch ist es, nichts anderes!
Ralph weiß das – und wenn du mal genau hinsiehst, wirst auch du …
Wann fing denn der ganze Schlammassel an, na?
Doch erst als er auftauchte, der Medienrotzlöffel, der Raab, der. Vorher war dieser Poptitandieter ein feuchter Furz gegen Ralphi – und dann plötzlich: raabenschwarze Magie, ein ganz spezielles Anathema.
Aber nicht, dass der Siegel einfach nur für sich selbst Pech hat. Sein Pech strahlt aus, inkubiert, infiziert. Völlig Unschuldige.
Da ist schon mal seine Frau. Kriemhild heißt die, was aber bereits vor der Begegnung mit dem Ralf so war und deshalb dem Ralf oder dem Schadenszauber nicht zugeschustert werden kann. Das nicht, aber: normal ist, du gehst los, liest einen Produzenten auf, singst in einen Computer und am Abend kannst du dich dann auf VIVA anschauen. Bei der Kriemhild haut das aber nicht so richtig hin. Verhext, klar. Der Siegel schreibt sich einen Wolf für die, produziert drauflos wie der Kamp seine Meterbrote und doch will sie keiner wirklich haben, die Kriemhild. So pechaura-umwabert, wie die vom Ralphi ist.
Nun kannst du sagen: gut, dass der Siegel sich trotzdem nicht unterkriegen lässt; der rumpelstilzt ja immer: ihm kann keiner verbieten, weiter Songs zu schreiben, schon gar nicht so ein Raabfluch.
Und überhaupt erlange man im Alter eine Stärke, vor der auch Flüche glatt kapitulierten. Der Kreml wusste das, der Vatikan weiß das, der Ralphi schon lange. Das war bei Paul McCartney so, sagt Ralph, bei Günter Grass dito. Und klar, wenn man „McCartney“ und „Grass“ vor sich hinbrabbelt, manifestiert sich „Siegel“ für das geneigte Publikum geradezu unweigerlich im Raum – logische Weiterführung.
Aber heldenhaftes Ringen des Kulturreckens gegen den Fluch hin oder her, mit so was ist nicht zu spaßen und vom zitierten Alter wissen wir schließlich, dass es nicht gegen Torheit schützt, also nicht wirklich vollumfänglich allmächtig ist. Und deshalb – in dubio pro ralpho – ist beim Alterswerk des ehemaligen Altmeisters ebenfalls davon auszugehen, dass er trotz Reife dennoch weiterhin von einem Voodooding gelinkt wird.
Warum ich das meine? Pass auf, nehmen wir einfach irgendeinen seiner reifen Songs. Nehmen wir „Facebook, uh, oh, oh“. Das Werk sollte in irgend einem europäischen Songkonfekt oder so gesungen werden. Doch dann sagte man dem Siegel, sein Song sei eindeutig Werbung für Facebook, und Werbung soll nicht in einen Songdefekt. Also: dieses Facebook muss raus. Du magst sagen, da hat der Ralphi aber noch Glück gehabt, dass sie ihm nicht auch nicht das „uh, oh, oh“ weggenommen haben, quasi Verunglimpfung von Dolly Buster, aber das ist noch nicht urheberrechtlich geschützt.
Und, pass auf: jetzt kannst du gleich sehen, was für ein Fuchs selbst der befluchte Siegel immer noch ist: hat die Kreativquetsche gnadenlos an sich selbst angelegt und das Ding einfach mir-nichts-dir-nichts in einer Nacht-und-Nebel-Aktion umgedichtet in „Oh, oh, uh, oh, oh“. Wahnsinn.
Da konnte dann die Welt auch nichts mehr dagegen sagen. Und, wer weiß, vielleicht hat der Siegel ja recht und das Alter besiegt den Fluch doch.
Wir warten mit angehaltenem Atem.

Andreas Bürgel

Urversion mit Fluch.

Fluchfrei? Wohl kaum …