Eine Frage der Ordnung
The Bros. Landreth: Let it lie
Jeder mit einem Voodoo-Starterset vom Trödel, jedes Ferienjob-Orakel weiß das: kennst du den Namen, hast du die Kontrolle. Kritzel so einen Namen auf einen Zettel, schlag noch mal in der Gebrauchsanleitung deines magischen Buchs nach, und der Träger des Namens ist dir gänzlich ausgeliefert.
Das funktioniert – sozusagen – auch im voodoofreien Alltag und in orakelfreien Zonen: schreib einen Namen auf ein Etikett, klebe es auf eine Schublade und pack hinein, was hineingehört. Auf Schubladengröße reduziert hast du alles, was dir in voller Größe schier unfassbar schien, im Griff wie Nestlé die Supermarktkundschaft.
Also: frisch die Laden etikettiert ist halb stereotypisiert, und Stereotypen sind die angenehmeren Zeitgenossen.
Apropos Stereo: stell dir nur mal vor, du könntest eine deiner CDs nicht in die richtige Schublade – also: an den richtigen Platz in deinem CD-Regal – packen. Grausam, nicht wahr?
Warnerbrothersseidank passiert das nicht, denn meist kommt so eine CD fertig etikettiert aus der Fabrik – Britpop, ProgRock, SmoothJazz, Kult-Schlager; irgendwas in der Art wird da schon stehen. No-Name-Produkte verkaufen sich halt schlechter. Und wenn die Plattenfirma doch mal das Etikett vergessen hat, hilft jeder Kritiker mit Expertenklebchen aus.
Ruckzuck geht das. Allerdings auch regelmäßig daneben. Insbesondere bei Debut-CDs. So wie bei der unlängst erschienene CD „Let it lie“ von „The Bros. Landreth“.
Die kam etikettenlos. Also waren die Kritiker dran: New Country Blues sagt der eine, Southern Rock der andere. Manche finden, Root Music treffe es dann doch eleganter, während einige von Alternative Country, Adult Folk-Rock oder Americana sprechen. Was ja alles nicht so weit voneinander entfernt ist, aber doch das Definitionsdilemma zeigt.
Vor allem, wenn einer der Bros. Landreth, der Joey nämlich, dem billboard sagt: „In Canada, we don’t really have Americana“, was sich ja auch fast von selbst erklärt, das wird vermutlich eher Canadana sein.
Also dann doch der Southern Rock? Schließlich liegt Winnipeg, wo die Brüder aufwuchsen, ordentlich im Süden Kanadas. Und Country, mit oder ohne Zusätze, wäre auch noch im Spiel, schließlich steht dieses Winnipeg in der Prärie; wenngleich in der kanadischen.
“We heard a quote not too long ago about not worrying about genres,” greift Joey L. das Thema auf, “you either play music that is honest or dishonest. So that’s what we try to do, and let the listeners decide what it is.“
The listeners decide? Schwerer Fehler.
Man sieht ja, was dabei rumkommt.
Nun könntest du clever sein und auf das Etikett für die „Let it lie“-Schublade schlicht Gute Musik schreiben. Könnte gehen. Bis du deinen Nachbarn über den Weg läufst, die diesen Aufkleber bereits für Produkte von Andrea Berg, Taio Cruz oder Katy Perry verklebt haben und ihr jetzt das Dilemma der Definition habt.
Man hat’s nicht leicht mit den Bros Landreth. Wenngleich ihre Musik vollständig unverkrampft daherkommt. Weinende Slide- und Steelguitars, bluesige Bottlenecksounds, klare Akustikpicks, dreckige Boogielicks. Die Gitarren klar in der Hauptrolle, im Verein mit den abgeklärt souligen Stimmen. Alles abgestützt durch Komfort-Chöre.
Die Texte symbolreich: Trains, Railwaytracks und Konsorten. Philosophie suchst du vergebens.
Du musst dich auch nicht durch neue harmonisch-rhythmische Konzepte mühen. Entspannte Midtempo-Achtelgrooves, irgendwo kurz ein eingeschobener Dreier, ein 6/8. Die Harmonien reichen sich artig die Hände. Eingängige Refrains, umweglose Verse. Eilelos, oft tiefenentspannt.
Das sich allein dem Ganzen verpflichtendes Bass/Drums-Gespann agiert so unauffällig wie unkaputtbar.
E-Piano-Glöckchen setzen meist hintergründige Akzente, ohne sich dabei dem Vorwurf der Tastenvirtuosität aussetzen zu müssen. Hammond-Akkordwolken sorgen für die Seele, ein oder zwei Duftmarken setzt die Bluesharp.
Das klingt für dich ein wenig nach Jackson Browne, Little Feat, Lyle Lovett, The Band Of Heathens, nach einem schon mehrfach ausprobierten und für gut befundenen Rezept?
Ist es wohl auch.
Aber eben frisch gekocht. Und individuell genug, um nicht mit dem Soulfood anderer verwechselt zu werden.
Wie du die Bros. Landreth in dein CD-Regal einordnen sollst?
Keine Ahnung. Ich jedenfalls sortiere CDs schon lange nach Tierkreiszeichen.