Zur Einstimmung:
„Musik kann einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge den Geschmack von Wein beeinflussen. Rockmusik von den Rolling Stones zum Beispiel verträgt sich gut mit einem Cabernet Sauvignon, wie Forscher von der schottischen Universität Heriot Watt in Edinburgh feststellten.
Oder allgemeiner gesagt: Wenn zu einem Glas Cabernet Sauvignon eher kräftige, harte Musik laufe wie Carmina Burana oder die Stones, erscheine der Wein 6 Prozent gehaltvoller, reicher und kräftiger als ohne Musik, sagte Psychologieprofessor Adrian North.“
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Buddy Movie
„Du kannst doch Kansas nicht zu so einem Shiraz hören“, klärt mich der Typ auf. „Der hat Kraft, Tannin, Würze, da gehört ein Satriani dazu.“
Dabei hatte ich weder den Shiraz wirklich ausgewählt, noch Dust in the wind.
Ein Kumpel feiert Geburtstag, eine mp3-Playlist macht den DJ und es gibt nur den einen Rotwein.
Ja, ich hätte auch lieber etwas anderes im Glas, aber das liegt weniger an Kansas, mehr an der Weinauswahl des Hauses. Doch dem Aufklärer geht es sosehr um die Situation, wie dem Busfahrer der Stadtlinie um Fahrspaß – er hat eine Aufgabe: Er muss der Welt zeigen, dass er ein echt ausgefuchster Experte ist. Ein Vino-Synästhetiker. Und da die Welt gerade woanders am Werkeln ist, nimmt er halt mit mir vorlieb.
Was dieses Synästhetik-Dingens soll? Es gibt Leute, bei denen springen gleich zwei Verarbeitungszentren in der Großhirnrinde an wenn wir anderen uns mit einem begnügen – Wahrnehmungsverknüpfer. Hören die ein Geräusch, sehen sie automatisch eine bestimmte Farbe dazu. Oder sie riechen Zahlen. Aber so einer ist der hier nicht. Kein geborener Verknüpfer, eher einer mit Anlernausbildung; einer von denen, die ihren Wein hören können – oder zumindest etwas in der Art behaupten.
„Ich bin der Bernd“, stellt er fest und greift sich einen Stuhl. „Weißt du, dass Musik die Weinwahrnehmung total beeinflusst?“
„Echt?“, spiele ich mit, ich bin facebooksozialisiert und weiß: Leben heißt Freunde sammeln.
„Klar. Musst du dir vorstellen wie …“
„Ein Buddy-Movie, in dem zwei, die unterschiedlicher nicht sein können, durch die Umstände zu einem unschlagbaren Team werden?“, will ich helfen.
„Naja. Pairing, also das Kombinieren von Wein und Musik, ist eigentlich echt wissenschaftlich, durch Studien belegt. Gib jemandem zweimal hintereinander blind ein und denselben Wein, einmal mit Adele und dann mit The Darkness – der wird zwei total unterschiedliche Weine schmecken.“
Das funktioniert leider häufig genug auch ganz ohne Musik, liegt mir auf der Zunge; ich würge es runter und lausche dem Bernd, der 150 Songs mit 250 Weinen „durchkombiniert“ hat.
„Ich weiß definitiv was zusammen passt. Das falsche Stück zieht den besten Wein runter. Die Pairing-Qualität eines Songs – bist du da nicht firm, lass beim Wein lieber die Finger von der Anlage.“
„Und“, wage ich, „was ist mit der Pairing-Qualität von Snoopy-Tischdecken, wasserspeienden Gartendeko-Knaben oder dem drohenden Besuch von Tante Therese aus Güllen? Alle Rahmenbedingungen verändern …“
„Musik beeinflusst objektiv das Geschmacksprofil, sagen die Studien“, Bernd ist ungeduldig, dirigiert jede Silbe von objektiv, „deshalb stimmen Sommeliers Weinmenüs mit Musik ab. Weinbars mit den richtigen Songs machen doppelten Umsatz, die holen den Geist aus der Flasche!“
„Na, dann werde ich mir die Plempe von Nachbar Erwin das nächste Mal schöndudeln lassen“, lache ich.
Oha, der Bernd kann Körpersprache. Und die sagt „Ignorant“. Seine Übersetzung ins Verbale – ein gemurmeltes „wir sehen uns“ – klingt irgendwie unaufrichtig. Heute also keinen Freund gesammelt.
Dabei stimmt’s schon: Musik schafft ein Klima, in dem es rankt oder verdorrt. Aber des einen ZZ Top ist des anderen Beatrice Egli, wir hören nicht gleich.
Du bist von der Parallelität der Struktur dieses Zinfandels mit jenem Steppenwolf-Song oder der enormen Steigerung der Beweglichkeit jenes Champagners durch Zelenka verblüfft – einen Pairing-Contest (ja, sowas gibt’s wirklich!) gewinnst du damit trotzdem nicht, wenn sich die Juroren als eingeschworene Schönberg-Jünger herausstellen. Oder über Bohlen nicht hinausgekommen sind.
Pairing ist großartig.
Die objektiv kompatiblen Buddies aber existieren wie die einzig wahre Brille oder das definitive Pizzarezept – die Sache bleibt persönlich. Und das ist nur gut.
Ich für meinen Teil mache mich jetzt mal auf und gehe Gallagher hören.
Der spielt sein Calling Card am besten, wenn ich mit einem Glas tabakrauchigen 04er Calcinaires rouge von Gauby zuhöre. Ganz ohne Studien.