Hasta la vista
„Hasta la vista, Fachhandel.“
Ja, ich hatte das Zitat erkannt. Auch in dieser Variation und obwohl mein Kumpel nicht gerade wie Schwarzenegger aussah.
Eher wie ein Geier beim Trocknen, so wie er sich mit gespreizten Oberarmen in das Ledersofa zurücklehnte.
Um ihn herum auf dem Boden abgeschnittene Socken, die kurz zuvor die nun nackten Flaschen auf dem Tisch blickdicht verhüllt hatten. „Blindprobe“, hatte mein Kumpel angekündigt, „Thema: Terminator Discounter“ – er liebt seinen Arnold.
Der deutsche Supermarkt als sympathischer Auftragskiller im Dienst der Einkaufswagenschieber, eine Art Dexter der Paybackkartenbesitzer; seine Mission: Eliminierung des Weinfachhandels, den mein Kumpel „teuer, borniert, überflüssig“ fand. „Und den hier“, freute er sich nun, eine pendelnde Flasche in der Hand, Glanz in den Augen, „hab ich im Supi für’n Fünfer geschossen.“ Die Metaphysik der Schnäppchen. Dagegen kommst du nicht an; ich habe Leute freudig hüpfen sehen, die einen Einkaufswagen mit 50 Cent aus der Pfandkette lösten – woanders verlangt man dafür schließlich einen ganzen Euro.
„Und“ – Kinnstoß in Richtung Tisch – „alle sauber, was?“
Doch, nickte ich. Sauber.
Wie der falsche Verdächtige im Vorabendkrimi, der dem Verhörcop beharrlich dieselbe Geschichte vorstottert, weil er eben nur die kennt. Sauber wie der zum alsbaldigen Verbrauch bestimmte Chartsong mit der geballten Faszination von Magerquark.
Mein Kumpel rebellierte: „Du kriegst auch VDP. Und! Aldi-Ö hat mit Tignanello angefangen, da brechen die Dämme, da fragt keiner mehr nach Fachhändlern. Guck dir nur Frankreich an, Belgien.“
Klar, Grand Crus in jeder Regalecke und massenhaft Parkerpunkte, die enorm Spaß mit den benachbarten Dosenerbsen beim Durchdiegängerollen haben. So was gibt’s.
Doch selbst wenn neben Cru-bestückten Supermarktregalen tatsächlich Kundenberater stehen, die bei Abgang nicht nur an Feierabend denken, Blaufränkisch nicht in der Bocksbeutelecke suchen und den Unterschied zwischen Muscadet und Moscatel oder Pouilly Fumé und Pouilly-Fuissé kennen – etwas wirst du hier nicht finden: Quertreiber.
Diese gegenströmigen, bisweilen unkulanten Winzer, die zu weit abseits der Öno-Highways operieren, als dass sie ein Supermarktzentraleinkäufer finden könnte. Oder auch nur finden wollte – zu geringer Output, zu viele Kanten für die runde Sache einer schönen neuen Weinwelt zwischen Persil und Petersilie.
Deshalb findest du Weine, die neu kalibrieren, Staunen, frischen Spaß ermöglichen auch nur dort, wo sie nicht zwischen Überraschungseier-Nachbestellungen und Druckaufträgen für Tiefkühlhähnchenpromos „erledigt“ werden. Da findest du vielleicht etwas von Bruno Duchene: Stoff mit der Energie einer Graugans vor dem Winterzug. Von Cyril Fhal, dem eigenwilligen Architekten seiner „Clos du Rouge Gorge“: Radikalkompositionen mit einem ästhetischem Ideal, das mit „ansprechend“ so viel zu tun hat wie das limbische System mit Limbo-Dance. Von Tom Lubbe, der dem Zeitgeist eine Nase dreht, nicht abschreibt und auf Matassa geradezu unsittliche Diskurse freisetzt. Von Thomas Teibert, der auf l’Horizon im Keller den Wein höchstselbst die meiste Arbeit machen lässt, weil der Most am besten wissen muss was gut für ihn ist. Oder die „Enfants sauvages“ von Nikolaus und Carolin Bantlin, bei denen nomen omen ist und die zu bändigen es weit mehr als einer X-Box oder Playstation bedarf.
Und das wäre nur ein Anfang, nur eine Ecke der Welt.
Wein kann Poesie, kann Epos, Drama, Underground.
Poesielose Weinregale sind so komplett wie ein Kaspertheater ohne Krokodil – da können noch so viel Gretels auftreten, die Aufführung wird so spannend wie die Frage, welcher der beiden Wulffs denn nun an ihrer Trennung schuld war.
Wenn die Supermärkte besser werden: hurra! Den guten Fachhandel werden sie nicht ersetzen.
Und „Hasta la vista“? Für mich doch eher „Hasta pronto“.
Baby.